Nikolai Dobreff im Interview

Nikolai Dobreff im Interview

Freitag, 15 Uhr, der letzte Termin vor dem Wochenende. Ich sitze auf dem Balkon und freue mich auf ein gutes Telefonat mit Nikolai Dobreff, Grafikdesigner aus Hamburg, Gründer des Heart Directors Club und Vater von zwei Kindern. Wir haben schon einmal miteinander gesprochen. Noch bevor es eine Website, ein Logo oder irgendetwas anderes von duddznt zu sehen gab, habe ich ihn gefragt, ob er sich vorstellen kann, bei mir eine Edition an den Start zu bringen. Er hat zugesagt und ein Dreivierteljahr später zeichne ich folgendes Interview auf.

 

Du hast dich vor drei Jahren als Grafikdesigner selbstständig gemacht. Wie zufrieden bist du mit deiner Entscheidung?

Sehr zufrieden. Ich habe vorher sieben oder acht Jahre in Agenturen gearbeitet und aus dieser Zeit auch viele gute und wertvolle Erfahrungen mitgenommen. Für mich war es aber immer schon ein großer Wunsch, mal selbstständig zu arbeiten. Diese Arbeitsweise, jede Woche täglich von morgens bis abends auf Knopfdruck kreativ zu sein, war für mich immer schon ein zweifelhaftes Modell. Jetzt freue ich mich, dass ich viel flexibler mit meiner Zeit umgehen kann. Ich habe zwei Kinder, da ist eigentlich nie etwas planbar. Jetzt kann ich einfach sagen "Ich bin fertig. Wir fahren an den See." Das heißt, dass ich eigentlich so arbeiten kann, wie sich das für mich richtig anfühlt. Ich bin dadurch auch deutlich effizienter geworden, weil auf der anderen Seite natürlich klar ist, dass da niemand ist, der mir mal schnell etwas abnimmt. Das hat meine Arbeitsweise schon sehr verändert. Zuguterletzt kann ich nun selbst entscheiden, für wen ich arbeiten möchte. Ich möchte meine Zeit und Kraft nicht für Projekte einsetzen, mit denen ich mich nullkommanull identifizieren kann.

 

Du beschreibst deine Arbeit als „Gestaltung mit Haltung.“ Wie funktioniert das?

Das funktioniert in zwei Richtungen. Zum einen habe ein bestimmtes Wertesystem und Prinzipien, nach denen ich lebe und die ich nicht von meiner Arbeit trennen möchte. Mir sind Gleichberechtigung und Menschlichkeit sehr wichtig und ich will im beruflichen Kontext nicht darauf verzichten. Deshalb versuche ich, mit meinen Kund*innen darüber in einen Austausch zu kommen. Dabei gilt natürlich: Nichts ist schlimmer, als Werte, die irgendwo draußen draufgeschrieben aber innen nicht umgesetzt werden. Ich verstehe mich in den konzeptionellen Prozessen daher eher als konstruktiven Sparringpartner, der am Ende einen wesentlichen Anteil an einem guten Ergebnis hat. Also: Tue Gutes, rede darüber und meine es auch ernst. Das betrifft eher die inhaltliche Ausrichtung. Zum anderen ist es mir wichtig, auch selbst Haltung zu zeigen. Ich pflege eine ganz offene Kommunikation mit meinen Kund*innen und sage eben auch klar, was toll ist und was nicht geht. Ich weiß, dass es dem allgegenwärtigen Mythos des „Möglichmachers“ in der Kreativwirtschaft entgegen steht, wenn ich bei einer Anfrage um 22 Uhr abends auch einfach mal deutlich sage, dass das nicht bis morgen Mittag fertig wird. Da herrscht in der Branche teilweise immer noch ein Klima, in dem vor allem junge Menschen unter Druck gesetzt und ausgenutzt werden und davon möchte ich kein Teil sein. Unterm Strich heißt das Prinzip „Gestaltung mit Haltung“ für mich, Dinge nach vorne zu bringen und nicht auf der Stelle zu stellen.

 

Heart Directors Club, 2022

Du hast den Heart Directors Club gegründet und moderierst Veranstaltungen, kuratierst ­Ausstellungen und startest Open Calls. Welches Ziel verfolgst du mit deinem Engagement?

Für mich ist Gestaltung ein schöner Weg, gesellschaftlich relevante Themen einem bestimmten Publikum näher zu bringen. Wenn man in den Bereichen Illustration, Design oder Kommunikation arbeitet, dann verfügt man auch über die visuellen und kommunikativen Fähigkeiten dazu. Das Ergebnis kann dann ganz unterschiedlich aussehen. Man muss ja nicht immer gleich die riesige politische Kampagne fahren, das können auch ganz kleine Dinge sein. Beim Heart Directors Club biete ich deshalb unterschiedliche Formate an, um die Skills zu bündeln. Ein Open Call ist vielleicht etwas niedrigschwelliger und kurzweiliger zu bearbeiten, als ein ganzes Event. Wichtig ist mir vor allem, dass es auch Spaß machen kann, große Themen auf die Agenda zu setzen. Neulich hatten wir hier ein Event mit guter Musik, leckerem Essen und top Stimmung, während Vorträge zu Demokratie, Design und Inklusion liefen. Das gibt mir einfach viel mehr, als Projekte, die nur dem Ziel dienen, den Algorithmus in den sozalen Netzwerken zu pushen und Likes zu generieren. Dagegen habe ich natürlich keine grundsätzlichen Einwände, mir ist das Engagement für eine offene Gesellschaft aber wichtiger.

 

Deine Arbeiten sind auffallend bunt, aber trotzdem sehr klar. Was macht für dich gutes Grafikdesign aus?

Gute Frage. Ehrlich gesagt stehe ich in erster Linie auf schlaue Ideen, also Lösungen, bei denen ich sehen kann, dass ein komplexes Thema über ein ganz einfaches System oder eine clevere Kombination angegangen wurde. Das finde ich immer erstmal gut. Ich habe für mich persönlich keine bestimmte Richtung, nichts, auf dessen Grundlage ich jetzt sagen kann: Das ist mehr oder das ist weniger cool. Ich habe bei mir eher beobachtet, dass ich Design wie ein gutes Kochbuch konsumiere. Wenn ich in einem guten Kochbuch so ein richtig leckeres Gericht sehe, dann kriege ich Appetit und habe Lust, selber zu kochen und vor allem zu essen. Bei Design geht mir das auch so. Wenn ich gute Lösungen und spannende Kompositionen sehe, wenn mir eine Idee sehr gut gefällt, dann kriege ich selbst Lust aufs Gestalten. Wenn Leute das über meine Ergebnisse auch sagen können, bin ich happy.

 

Dein Motiv „Mut zur Wut“ ist die erste duddznt Edition überhaupt. Als wir in die Planung gegangen sind, hatte das Motiv noch einen anderen Colorway. Möchtest du darüber sprechen, wieso es jetzt Grau / Schwarz ist?

Für die Entscheidung habe ich sogar zwei Gründe. Zum einen arbeite ich tatsächlich so, dass ich viel mit den Farben herumprobiere, was mir gefällt oder was gut aussieht. Es kommt häufiger vor, dass sich die Farben im Prozess nochmal ändern. Zum anderen ist mir klar geworden, dass ich bei diesem Motiv nicht möchte, dass die Farbe dem Motiv die Show stiehlt. Ich wollte den Fokus eher auf die Lesbarkeit setzen und habe mich daher entschieden, ganz auf Farbe zu verzichten.

 

Buch „Solo“, Nikolai Dobreff, 2021

Zu welcher Art Wut brauchen wir mehr Mut?

Die Frage umschiffe ich mal gekonnt. Es gibt alle zwei Jahre eine Ausstellung von Götz Gramlich mit dem Titel „Mut zur Wut“, da habe ich mir den Titel für meine Arbeit gewissermaßen entnommen, weil er aus offensichtlichen Gründen super zu meinem Motiv passt. Mir geht es aber gar nicht so sehr darum, sich den Mut zu fassen um wütend zu sein. Mir geht es um das Verhältnis, in dem der Mut zur Wut steht. Beides gehört nun einmal zusammen und ist deshalb in meinem Print auch eine gemeinsame, geschlossene Form. Aber die beiden Pole haben sehr unterschiedliche Ausrichtungen. Ich bin auch oft wütend und das ist etwas ganz natürliches. Allerdings sollte die Wut nicht zu viel Raum einnehmen, sondern eher als Triebmittel eingesetzt werden, um sich Mut zu fassen, etwas Positives zu schaffen. Der Mut steht für mich immer über der Wut, denn er ist aktiv und konstruktiv. Mut ist wichtig und mutig sein, sich was trauen, sich unabhängig machen, den ersten Schritt wagen, all das ist stark und klug und am Ende: eine gute Haltung.

 

Mit Blick auf die Zukunft: Was wünschst du dir für deinen eigenen Werdegang noch? Gibt es Themen oder Projekte, denen du dich gern widmen würdest oder hast du noch besondere Kund*innen oder Branchen auf deiner Wunschliste?

Alles! Grundsätzlich habe ich natürlich Bock, mit dem Projekt Heart Directors Club noch weiter zu kommen und in diesem Rahmen noch ganz viele weitere Aktionen, Events und Ausstellungen zu planen. Ich bin von dem Konzept überzeugt und habe einfach wahnsinnig viel Spaß bei der Arbeit daran, weil ich in andere, total spannende Rollen schlüpfen kann. Was meine zukünftigen Kund*innen angeht, freue ich mich natürlich über Anfragen aus der Kulturbranche mit tollen Konzepten und hohem Budget. Darauf können sich, denke ich, sicher viele Gestalter*innen einigen. Und ansonsten hätte ich total Lust auf viel mehr Magazine, Bücher, Poster, Klamotten, eben alles, was man anfassen kann. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Arbeit, aber weil es so viel Digitales gibt, vermisse ich es manchmal, das Ergebnis auch in den Händen zu halten. Zur Zeit arbeite ich zum Beispiel an der Gestaltung einer Vinyl Platte und ich freue mich schon seit Beginn des Projektes darauf, sie hier am Ende einfach stehen zu haben und sehen zu können.

 

Was hängt bei dir zuhause an der Wand?

Ich bin ein Sammler. Gerade hier, wo ich jetzt sitze, ist meine Wand voll mit lauter kleinen Erinnerungen an Menschen und Erlebnissen, die mir etwas bedeuten. Das sind gesammelte Postkarten von Leuten, mit denen ich mal zusammen an Projekten gearbeitet habe oder Fotos von Freund*innen. Oder kleine Skizzen und Aufmerksamkeiten. Mein Lieblingsmotiv ist das Cover von einem alten Notizbuch, das ich mal in Chile gekauft habe. Das habe ich damals sehr viel benutzt und anschließend den Titel eingerahmt – kurz bevor es auseinander gefallen ist. 

 

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